...dass das Publicum ein Recht auf den Beirath rechtskundiger Sachwalter in freier Concurrenz hat...

(Rudolf Gneist, Freie Advocatur, 1867)

Preisauslobung 2010

Preis für anwaltsgeschichtliche Werke verliehen

Am 18. November 2011 wurde der mit insgesamt 4.000 € dotierte Preis des FORUMS ANWALTSGESCHICHTE zum zweiten Mal verliehen – wiederum in Mainz unter der Schirmherrschaft des rheinland-pfälzischen Justizministers Jochen Hartloff. In diesem Jahr waren zwei sehr unterschiedliche, aber gleichermaßen bedeutsame Publikationen zu würdigen, weswegen der Preis aufgeteilt wurde:

Preisträgerin Barbara Sauer, Wien, wurde prämiiert für Advokaten 1938 – Das Schicksal der in den Jahren 1938 bis 1945 verfolgten österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.

Sie hat im Rahmen eines von den österreichischen Rechtsanwaltskammern initiierten Forschungsvorhabens die Schicksale der von den Nationalsozialisten verfolgten Kollegen recherchiert und in einem aufwendig gestalteten großformatigen Band fast 2000 Kurzbiographien zusammengetragen, denen eine gründliche und quellengestützte Einleitung vorangestellt ist. Damit ist ein wissenschaftliches Nachschlagewerk und zugleich ein für Österreich längst überfälliges Gedenkbuch entstanden.

Mit einem ganz anderen Aspekt der – wohlgemerkt! – Anwaltsgeschichtsschreibung hat sich Thomas Weber befasst: Die Ordnung der Rechtsberatung in Deutschland nach 1945. Vom Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz lautet der Titel seiner Bayreuther Dissertation.

Damit ist eine Forschungslücke geschlossen, denn bislang hat eine grundlegende und umfassende Betrachtung der Entwicklung nichtanwaltlicher Rechtsberatung nach 1945 gefehlt. Thomas Weber wirft einen durchaus kritischen Blick auf die Rolle, welche die Anwaltschaft in diesem Prozess gespielt hat, dennoch ist sein akribisch recherchiertes und gut lesbar geschriebenes Werk frei von rechtspolitischer Parteinahme. Das Thema ist ein gutes Beispiel dafür, dass ohne einen Blick zurück weder die aktuelle Situation verstanden noch eine Zukunftsperspektive entwickelt werden kann.

Im Rahmen einer Feierstunde waren neben den Ansprachen der Laudatoren und der Preisträger kurze Grußworte des Justizministers und des Kollegen Justizrat Dr. Westenberger (früherer Vizepräsident der BRAK) zu hören, in denen eindringlich auf die Bedeutung eines historischen Bewusstseins auch für Justiz und Anwaltschaft hingewiesen wurde sowie auf die wichtige Rolle, welche der Verein FORUM ANWALTSGESCHICHTE in diesem Zusammenhang einnimmt. Der Forumspreis wird in zwei Jahren erneut verliehen.

 

Die Bücher:

Barbara Sauer/Ilse Reiter-Zatloukal, Advokaten 1938, Wien (Manz) 2010

Thomas Weber, Die Ordnung der Rechtsberatung in Deutschland nach 1945, Tübingen (Mohr Siebeck) 2010

Presseerklärung zur Verleihung des Forumspreises 2010

Das Forum Anwaltsgeschichte freut sich mitzuteilen, dass der von ihm 2010 zum zweiten Mal mit insgesamt 4000 € ausgelobte Preis für einen herausragenden Beitrag zum Verständnis der Anwalts- bzw. Advokaturgeschichte dieses Mal unter zwei Preisträgern geteilt werden muss:

Es sind

E

Barbara Sauer für ihren opulenten biographischen Sammelband „Advokaten 1938 – Das Schicksal der in den Jahren 1938 bis 1945 verfolgten österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte“ sowie

E

Thomas Weber für sein grundlegendes Werk über „Die Ordnung der Rechtsberatung in Deutschland nach 1945. Vom Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz“.

Barbara Sauer hat im Rahmen eines von den österreichischen Rechtsanwaltskammern initiierten Forschungsvorhabens die Schicksale der von den Nationalsozialisten verfolgten Kollegen recherchiert und in einem aufwendig gestalteten großformatigen Band fast 2000 Kurzbiographien zusammengetragen, denen eine gründliche und quellengestützte Einleitung vorangestellt ist. Damit ist ein wissenschaftliches Nachschlagewerk und zugleich ein für Österreich längst überfälliges Gedenkbuch entstanden, durch welches diesem Land – aber auch uns deutschen Anwälten – anhand von Einzelschicksalen vor Augen geführt wird, dass es die Anwaltschaft der Stadt Wien gewesen ist, die sich als Folge der nationalsozialistischen Machtübernahme die weitaus größten Verluste zugefügt hat.

Thomas Webers Bayreuther Dissertation schließt ebenfalls eine Lücke, denn bislang hat eine grundlegende und umfassende Betrachtung der Entwicklung nichtanwaltlicher Rechtsberatung nach 1945 gefehlt. Der historische Rückblick auf den Umgang des Gesetzgebers und der Judikatur mit (rechts-)beratender Tätigkeit außerhalb der Anwaltschaft ist zwingend immer auch ein „anwaltsgeschichtliches“ Thema, denn unser Berufsstand war (und ist) von dieser Entwicklung nicht nur betroffen, er hat sie auch aktiv mitgestaltet. Thomas Weber wirft einen durchaus kritischen Blick auf die Rolle, welche die Anwaltschaft in diesem Prozess gespielt hat, dennoch ist sein akribisch recherchiertes und gut lesbar geschriebenes Werk frei von rechtspolitischer Parteinahme. Das Thema ist ein gutes Beispiel dafür, dass ohne einen Blick zurück weder die aktuelle Situation verstanden noch eine Zukunftsperspektive entwickelt werden kann.

Beide Arbeiten haben also eine Auszeichnung aus ganz unterschiedlichen Gründen verdient. Die offizielle Verleihung des Preises in feierlichem Rahmen wird im November in Mainz stattfinden.

 

Mainz, im November 2011

Dr. Tillmann Krach