...dass das Publicum ein Recht auf den Beirath rechtskundiger Sachwalter in freier Concurrenz hat...

(Rudolf Gneist, Freie Advocatur, 1867)

Adolf Heilberg

Grußwort des Forums Anwaltsgeschichte und des Deutschen Anwaltvereins anlässlich der Enthüllung der Gedenktafel zur Erinnerung an RA Adolf Heilberg (1858-1936) auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Breslau am 30. Mai 2019 [1]

RA Dr. Tillmann Krach, Vorsitzender des Forums Anwaltsgeschichte e.V.

Adolf Heilberg als „Anwalt der Anwälte“

Am 14. Januar 1928, anlässlich seines 70. Geburtstags, wurde Adolf Heilberg die Ehrenmitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein verliehen, in dem seinerzeit mehr als 80% aller Berufskollegen organisiert waren.

Der damalige Präsident, der Leipziger Anwalt Martin Drucker, hat die Verleihungsurkunde unterschrieben. Geehrt wird ein Kollege, „der durch hervorragende Arbeiten Wissenschaft und Praxis des Rechts befruchtet und gefördert, durch gesegnetes Wirken das Ansehen des deutschen Anwaltstandes erhöht und gefestigt hat, der in zahlreichen Ehrenämtern … sich allezeit kraftvoll für seinen Stand eingesetzt hat ….“. [2]

Die schlesische Anwaltskammer (in der jeder Kollege schon qua Zulassung Mitglied war) gab zu seinen Ehren eine Festnummer ihrer Zeitschrift heraus. Heilberg, seit 1883 Anwalt, war seit 1898 in deren Vorstand und wurde 1909 auch in den Vorstand des Deutschen Anwaltvereins, der reichsweiten Interessenvertretung des Berufsstandes, gewählt. [3]

Im September 1913 holte er das höchste Vereinsorgan, nämlich den Deutschen Anwaltstag, nach Breslau, wo mehr als 1000 Teilnehmer die wichtigsten ihren Beruf betreffenden Fragen diskutierten und die Attraktionen dieser Stadt genossen. [4]

Der Münchener Anwalt Max Friedlaender, 15 Jahre jünger als Heilberg, schreibt in seinen Memoiren: [5]

{

Heilberg war schon damals der bekannteste Anwalt von Breslau, wahrscheinlich von Schlesien: Ein Mann mit einem Prophetenkopf, langen Haaren und breitem Vollbart von einer riesenhaften Arbeitskraft…. Er war einer der klarsten Köpfe, die mir je begegnet sind, immer imstande, in schwierigen Situationen den richtigen Gedanken und auch das richtige vermittelnde Wort zu finden, dabei liebenswürdig und frisch, ein guter Gesellschafter und ein anhänglicher Freund.

1930, also zwei Jahre nach seiner Ernennung zum Ehrenmitglied, wurde Heilberg zu einem der beiden Vizepräsidenten im Vorstand des DAV gewählt [6] und blieb in diesem Amt bis zur „Gleichschaltung“ des Vereins durch die Nationalsozialisten.

Noch in der Ausgabe des Anwaltsblatts vom Januar 1933 [7] gratulierte ihm der inzwischen zum Präsidenten avancierte Berliner Kollege Rudolf Dix zum 75. Geburtstag und titulierte Heilberg als „Nathan der Weise der deutschen Rechtsanwaltschaft“ – nicht ahnend, dass der so bezeichnete keine zwei Monate später gerade wegen seines Judentums um sein Leben fürchten und vor dem Breslauer Nazi-Mob nach Berlin flüchten musste.

Was sich am 11. März 1933 und die Tage danach an den Breslauer Gerichten abgespielt hat und wie Heilberg sich vergeblich bemühte, geordnete und insbesondere rechtsstaatliche Verhältnisse aufrechtzuerhalten, wissen wir aufgrund seines bereits im Mai schriftlich niedergelegten „Pro Memoria“. [8]

Er war erst wenige Tage in Berlin, als sich der Vorstand der schlesischen Anwaltskammer auflöste und Heilberg als Vorsitzender zurücktrat. Mit Wirkung zum 31. März erklärte er den Verzicht auf seine Zulassung. Am 7. April legte er auf Bitten des Präsidenten auch sein Amt als Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins nieder, was die neuen Machthaber nicht daran hinderte, ihm – wie allen anderen in gleicher Lage – im November 1933 die Vereinsmitgliedschaft „fristlos aufzukündigen“ mit der Begründung, Mitglieder des Nazi-Juristenbundes könnten nur „Rechtsanwälte deutschen (arischen) Blutes sein und bleiben“.

Mit einigen seiner früheren Kollegen blieb er in Kontakt, etwa mit dem früheren DAV-Präsidenten Drucker, der ihn 1928 zum Ehrenmitglied gemacht hatte: Zu dessen 65. Geburtstag am 6. Oktober 1934 fuhr er nach Grimma bei Leipzig und überreichte ihm im Namen aller Kollegen, die daran mitgewirkt hatten, eine mehr als 300 Seiten starke Festschrift. [9]

Er selbst hatte einen Aufsatz über die Wahrheitspflicht im Zivilprozess beigesteuert, ein Thema, das ihn bereits beim Breslauer Anwaltstag gut 20 Jahre zuvor beschäftigt hatte. Diese Festschrift war natürlich im Buchhandel nicht erhältlich, Autorenkreis und Themenspektrum dürften aber nicht nur Adolf Heilberg an die „guten alten Zeiten“ erinnert haben, als er – wie es in der Urkunde zur Verleihung der Ehrenmitgliedschaft im Anwaltverein heißt – „sicherer Berater und unbeirrbarer Führer der deutschen Anwaltschaft“ gewesen war.

Nicht nur der Deutsche Anwaltverein, vielmehr alle Anwältinnen und Anwälte in Deutschland und in Breslau sollten die Persönlichkeit Adolf Heilberg und ihr Wirken für das Recht und den Berufsstand nicht vergessen!

Helen J. Breslauer, eine Urenkelin Adolf Heilbergs, bei ihrer Ansprache anlässlich der Gedenkveranstaltung am 30. Juni 2019

Helen J. Breslauer und Dr. Roland Müller, der Initiator der Veranstaltung, vor der soeben enthüllten Gedenktafel

[1] Ergänzt durch Fußnoten mit Quellenhinweisen.

[2] Faksimile als Abbildung Nr. 15 bei Roland Müller, Adolf Heilberg (1858-1936): Verehrt als Anwalt, vertrieben als Mensch – und vergessen?, online-Ausgabe des Anwaltsblatts Dezember 2018, https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/files/anwaltsblatt.de/anwaltsblatt-online/2018-997.pdf

[3] Vereinsnachrichten JW 1909, 625

[4] Beschlüsse abgedruckt JW 1913, 113.

[5] Lebenserinnerungen, Hrsg. Bayerischer Anwaltverband, Bearbeiter Tillmann Krach und Reinhard Weber, Stuttgart 2018, S. 110

[6] AnwBl 1930

[7] AnwBl 1933

[8] Ein Exemplar befindet sich im Münchener Institut für Zeitgeschichte, Signatur F 59; digitalisiert zugänglich über das Archiv des Leo-Baeck-Instituts.

[9] Martin Drucker zum 65. Geburtstage in Freundschaft und kollegialer Verehrung, Privatdruck 1934, Reprint Aalen 1983 (mit einem Vorwort von Fred Grubel).