...dass das Publicum ein Recht auf den Beirath rechtskundiger Sachwalter in freier Concurrenz hat...

(Rudolf Gneist, Freie Advocatur, 1867)

Preisauslobung 2008

Das Forum Anwaltsgeschichte e.V. hat den erstmals 2008 ausgeschriebenen und mit € 4000 dotierten Preis für einen herausragenden Beitrag zum Verständnis der Anwalts- bzw. Advokaturgeschichte vergeben. Die Wahl fiel auf Ilse Reiter-Zatloukal und ihre Gustav-Harpner-Biographie.

Zur Autorin

Ilse Reiter-Zatloukal ist außerordentliche Professorin am Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte der Universität Wien. Ihr historisches Interesse gilt hauptsächlich dem 19. und vor allem dem frühen 20. Jahrhundert, Forschungsschwerpunkte sind die Strafrechtsgeschichte, die politische Ausbürgerungs- und Ausweisungspraxis Österreichs, die Radikalisierung in den 30er Jahren und der Nationalsozialismus und nicht zuletzt die österreichische Anwaltsgeschichte.

Zum Werk

Mit ihrem fast 600 Seiten umfassenden und sorgfältig edierten Werk setzt die Preisträgerin Maßstäbe auf dem Gebiet der biographischen Forschung. Obwohl selbst dem Fachpublikum weitgehend kein Begriff, ist Harpner eine der herausragenden Anwaltspersönlichkeiten seiner Zeit im deutschsprachigen Raum.

Dies nachzuweisen gelingt der Autorin trotz einer äußerst prekären Quellenlage – so stand ihr etwa kein Nachlass zur Auswertung zur Verfügung. Dennoch hat sie Leben und Wirken des Wiener Rechtsanwalts minutiös rekonstruiert. Seine bürgerliche Herkunft einerseits und sein politisches Engagement für die fortschrittlich-republikanischen Kräfte andererseits verschafften ihm Zugang zu einer Klientel, die den Arbeiter und Gewerkschaftler genauso umfasste wie den sozialdemokratischen Parteifunktionär und die Wiener Künstlerszene.

Indem die Autorin die von Harpner geführten Prozesse in ihren geschichtlichen und kulturellen Kontext einbettet, entsteht gleichzeitig ein Bild der österreichischen Gesellschaft in den Jahren um 1900 bis in die 20er Jahre hinein, also in einer Zeit tiefgreifender politischer Umbrüche. Dabei kommt die Zeit nach dem 1. Weltkrieg deswegen besonders zur Geltung, weil Harpner als „Anwalt der Republik“ intensiv mit den juristischen Folgen der Konfiskation des Habsburger-Vermögens befasst war. 1919 wurde er Mitglied des Verfassungsgerichtshofes und 1921 zum Präsidenten des Kriegsgeschädigtenfonds ernannt. 1922 wählte ihn die Rechtsanwaltskammer in Wien zu ihrem Präsidenten.

Festakt

Die feierliche Verleihung fand am 24. November 2009 im Juridicum der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz in Anwesenheit des rheinland-pfälzischen Justizministers Dr. Heinz Georg Bamberger statt, den das FORUM als Schirmherrn der Veranstaltung gewonnen hatte. Der Vizepräsident der BRAK, Justizrat Dr. Norbert Westenberger, sprach ebenfalls ein Grußwort, der DAV war durch den Vorsitzenden des Rheinhessischen Anwaltvereins, Justizrat Dr. Hans-Albert Braunbeck, vertreten.

Die sehr persönliche Laudatio hielt Frau Prof. Anita Prettenthaler-Ziegerhofer, eine Kollegin der Preisträgerin aus Graz. In ihrem Festvortrag sprach die Geehrte selbst über Gustav Harpner und seine Zeit.

Die Preisträgerin mit der Verleihungsurkunde und beim Signieren ihres Werkes  

 

Voraussichtlich wird das FORUM im Jahr 2010 wiederum einen Preis ausloben. Die Meßlatte für die Preiswürdigkeit liegt hoch – Dank und Anerkennung hierfür gebühren der Professorin aus Wien.